Elisabeth Scharfenberg, Mitglied im Deutschen Bundestag

Mitglied im Deutschen Bundestag

Einzelplan Gesundheit

Bundestagsrede vom 21. November 2006

21.11.2006

Vizepräsidentin Petra Pau:

Die Kollegin Elisabeth Scharfenberg hat für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen das Wort.

Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Kollegin Bender und auch die Kolleginnen und Kollegen der Opposition haben wirklich schon zur Genüge darauf hingewiesen, dass diese Gesundheitsreform gründlich danebengeht.

(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Man kann es nicht häufig genug sagen! - Lachen bei der SPD)

Wir erleben - leider - aber auch, dass die große Koalition in dieser Hinsicht offensichtlich vollkommen beratungsresistent ist.

(Frank Spieth [DIE LINKE]: Das ist wohl wahr! Nur nicht bei der Privatversicherung!)

Es ist mir wirklich ein Rätsel, wie eine Koalition, die sich selbst als "groß" tituliert, sehenden Auges und gegen die Widerstände von allen Seiten - im Übrigen auch aus den Reihen der eigenen Koalition - an diesem Unsinn festhalten kann. Glauben Sie mir: Wir als Opposition finden dieses Spiel hier nur sehr begrenzt amüsant.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP - Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Aber die machen das bei der Pflege gleich weiter!)

Ich schaue mit Grauen nicht nur auf den dauerhaften Schaden, den Sie gerade mit der Gesundheitsreform anrichten, sondern auch auf das, was uns wohl noch erwartet.

(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Bei der Pflege, jawohl!)

Sofern Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der großen Koalition, Ihren eigenen Koalitionsvertrag noch kennen, müssten Sie wissen, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich schon bei der Reform der Pflegeversicherung sein sollten.

(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Sehr richtig!)

Aber auch das haben Sie bisher nicht auf die Reihe bekommen.

(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Sehr richtig!)

Die Reform der Pflegeversicherung ist schon auf das nächste Jahr verschoben worden.

(Frank Spieth [DIE LINKE]: Am besten ganz weg!)

Ich bin einmal gespannt, was für Ausreden wir im nächsten Jahr zu hören bekommen. Das ist ein verlorenes Jahr, ein Jahr, in dem die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen weiter auf Verbesserungen warten müssen.

(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie hätten sieben Jahre lang was machen können!)

Genauso lassen Sie alle in der Pflege Beschäftigten im Regen stehen. Alle warten auf Verbesserungen, die sie dringend brauchen.

Wenn ich aber die Vorschläge und die Meinungsäußerungen der letzten Tage aus den Reihen dieser Koalition zur Pflegereform höre, dann frage ich mich allen Ernstes, ob es nicht besser wäre, wenn Sie die Finger davon ließen.

(Heinz Lanfermann [FDP]: Die machen gleich zwei Reformen!)

Wir hören und lesen abenteuerliche Geschichten. Da wollen die einen, Mitglieder der Union, eine kleine Kopfpauschale einführen, während Ulla Schmidt wiederum die Bürgerversicherung ins Spiel bringt. Frau Ministerin, hier haben Sie unsere volle Unterstützung.

Die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU will mit der Solidarität und der sozialen Gerechtigkeit ganz Schluss machen. Sie will die Pflegeversicherung total auf Kapitaldeckung umstellen.

(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Das wäre auch nötig!)

Aber es kommt noch besser: Sie will auch die Pflegestufe I komplett abschaffen, weil dadurch 4 Milliarden Euro gespart werden können.

(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Wo nehmen Sie denn das her?)

Eigentlich fehlen jetzt nur noch zwei Vorschläge: erstens die Einführung des Pflegefonds; zweitens die gänzliche Abschaffung der Pflegeversicherung.

(Frank Spieth [DIE LINKE]: Oder der zu Pflegenden!)

Das würde wirklich am meisten sparen.

(Dr. Wolf Bauer [CDU/CSU]: Und wo wollen Sie das Geld hernehmen?)

Die große Koalition bläst bei der Pflegereform schon jetzt in das gleiche Horn wie bei der Gesundheitsreform. Was soll denn dabei Sinnvolles herauskommen? Das Schlimmste daran ist: Sie verlieren bei diesem ganzen Theater nicht ein Wort über die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen. Genau um diese Menschen geht es aber hier.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie sollten sich einmal das Positionspapier der Grünen zur Pflegereform durchlesen. Da steht einiges dazu drin. Ich lade Sie auch ganz herzlich jetzt und hier zu unserem morgigen Fachgespräch zu diesem Thema ein. Notfalls können Vertreter der großen Koalition ja inkognito kommen; wir werden sie nicht bei den Kollegen verraten.

Es würde mir an Ihrer Stelle schwer zu denken geben, wenn hilfsbedürftige Menschen und deren Angehörige, die sich das Treiben dieser Regierung anschauen, feststellen: Wir brauchen dringend Verbesserungen, aber lieber keine Reform als eine von Schwarz-Rot. Genau diese Stimmung erzeugen Sie momentan im Land.

(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie erzeugen diese Stimmung!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Frau Ministerin Schmidt, verlassen Sie endlich Ihren großkoalitionären Sockel und kommen Sie in der Realität an. Schauen Sie endlich dahin, wo der wirkliche Bedarf ist, und reagieren Sie verantwortungsvoll, und zwar ohne noch länger abzuwarten!

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Es war kein einziger Vorschlag dabei!)

Tags: Bundestagsrede
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