Elisabeth Scharfenberg, Mitglied im Deutschen Bundestag

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Behandlungskonzepte für Crystal Meth-Abhängige: Drogenbeauftragte hat keinen Plan

Erklärung zur Jahrestagung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Marlene Mortler in Berlin.

16.11.2015

Ein Novum hat die diesjährige Jahrestagung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Marlene Mortler, vorzuweisen: Obwohl sich die Liste der anwesenden Expertinnen und Experten liest wie das Who is Who zum Thema Crystal Meth in Deutschland, gab es keine Abschlusspressekonferenz auf der die Tagungsergebnisse vorgestellt wurden. Und das ist kein Zufall. „Antworten für die Praxis“ bei Methamphetaminkonsum hatte die Drogenbeauftragte versprochen. Tatsächlich hat sie noch immer keinen Plan.

Ihre zentrale Botschaft lautet: eine Methamphetamin-Abhängigkeit ist behandelbar. Das ist sachlich richtig. Allerdings besteht die Schwierigkeit ja gerade darin, die sehr heterogenen Konsumentengruppen mit Therapieangeboten zu erreichen, und das möglichst frühzeitig. Denn, darin sind sich alle Fachleute einig, Crystal Meth gehört zu den gefährlichsten Drogen, die auf dem Markt sind. Je länger und höherdosiert sie genommen wird, desto schwerwiegender sind die Folgen für Körper und Psyche, vom Organversagen bis zur Psychose. Daher gilt, je früher Hilfsangebote die Konsumenten erreichen desto besser die Prognose. Und genau hier liegt das Problem.

Sowohl der Psychologe und Psychotherapeut Dr. Härtel-Petri, bis vor kurzem Leiter des Suchtbereichs am Bezirkskrankenhaus Bayreuth, wie auch Professor Robert Wodarz vom Zentrum für Suchtmedizin der Universität Regensburg betonten auf der Tagung, wie wichtig das Wissen über Konsumentengruppen und Konsumverhalten für eine Rehabilitation oder eine medikamentöse Behandlung ist. Professor Wodarz wies darauf hin, dass sich eine Gruppe von Konsumenten vergleichsweise früh in Therapie begibt, einen andere sehr spät und eine dritte gar nicht. Für jede dieser Gruppe wären spezielle Angebote nötig, damit ein Konsument in Therapie geht oder dort bleibt.

Die Konsumentengruppen von Crystal reichen vom täglich hart Konsumierenden, der mit hoher Wahrscheinlichkeit früher oder später in der Notaufnahme landet, bis zu gelegentlichen Usern. Crystal ist zudem nicht nur ein Problem städtischer Ballungszentren, sondern vermehrt auch des ländlichen Raums zum Beispiel in Oberfranken. Für eine erfolgreiche Behandlung ist entscheidend zu wissen wer, wie oft, in welcher Form und Dosis konsumiert. Fakt ist, wir wissen noch viel zu wenig über die Konsumierenden, ihr Konsumverhalten und darüber, was sie veranlasst die Droge zu nehmen. Die ZIS-Studie 2014 zum Thema „Amphetamin und Methamphetamin - Personengruppen mit missbräuchlichem Konsum“ bietet erste Einblicke in Konsumentenprofile  und Einstiegsmotive. Dabei fällt auf, dass viele Erstkonsumenten sehr jung sind.

Auch die Milin-Studie 2014 gibt erste Hinweise darauf, wer die Konsumenten sind. Fünf Konsumentengruppen wurden dabei ausgemacht, darunter Berufstätige, die Crystal Meth zur Leistungssteigerung im beruflichen Zusammenhang konsumieren, sowie Schülerinnen und Schüler oder Studentinnen und Studenten. Eine Gruppe konsumiert die Droge zur „Selbstbehandlung“ einer psychischen Begleiterkrankung. Insgesamt fällt auf, dass der Frauenanteil höher ist als bei anderen illegalen Drogen. Vermehrt sind junge Mütter unter den Konsumenten, die versuchen so die Mehrfachbelastung im Alltag zu bewältigen, und Eltern, die bereits Methamphetamin-abhängig sind. Besondere gefährdet sind die Kinder dieser Eltern, die dringend auf professionelle Hilfe angewiesen sind.

Um die Frage beantworten zu können, welche Behandlung die Richtige ist, muss man also mehr über die Konsumenten wissen. Dass es daran hapert ist seit langem bekannt. Dennoch bleibt es bei Ankündigungen seitens der Drogenbeauftragten. So kündigt Mortler an, dass im nächsten Sucht-Survey eine getrennte Erfassung von Konsumenten von Amphetaminen und Methamphetaminen erfolgen wird. Sie weist darauf hin, dass jetzt auch die tabletgestützten SCHULBUS-Befragungen Fragen zu Crystal Meth aufweisen. Zudem soll die Stichprobengröße der Drogenaffinitätsstudie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, BZgA, vergrößert werden.

Das ist erstens zu wenig und hätte außerdem längst auf den Weg gebracht werden müssen. Denn, auch das ist allen Beteiligten klar: Crystal Meth ist weiter auf dem Vormarsch. Die Zahlen des Bundeskriminalamtes weisen auf einen steilen Anstieg der Amphetamindelikte hin, die damit nach Cannabis die zweithäufigsten Drogendelikte in Deutschland sind (BKA 2014). Gerade in Oberfranken im Grenzgebiet zu Tschechien ist der Anstieg überproportional groß.

Auch die Nachfrage nach Behandlung in Einrichtungen der Notfallmedizin, der Psychiatrie oder der Suchtberatung steigt rasant, wie die Drogenbeauftragte Mortler betonte. Crystal Meth ist auf dem Weg ein nationales Problem zu werden. Es ist höchste Zeit, die Vogel-Strauß-Politik zu beenden und das Problem Crystal Meth nicht länger zu verdrängen. Es erledigt sich nicht von selbst. Wir müssen endlich mehr in die Bewältigung investieren, brauchen mehr Fakten und müssen Konzepte für die Behandlung auf den Weg bringen, um der verheerende Droge Einhalt zu gebieten.

Tags: Pressearchiv, Gesundheit
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